
In Sachsen entstehen die Leichtbau-Produkte der Zukunft
31.01.2018
Auf der deutschen Leichtbau-Landkarte nimmt Sachsen einen gewichtigen Platz ein. Neben den Regionen Hamburg, Stuttgart und Augsburg gehört der Freistaat zu den führenden Standorten in diesem Technologiefeld. Wenn es um Forschung und Entwicklung geht, dann hat Sachsen sogar die Nase ganz vorn. Auf der Achse Dresden–Freiberg–Chemnitz konzentrieren sich die universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in einer Dichte wie sonst nirgendwo in Deutschland.
Allein in Dresden arbeiten rund 2500 Werkstoffwissenschaftler und Techniker an der TU Dresden, in den zahlreichen Fraunhofer-, Leibniz-, Max-Planck- und Helmholtz-Instituten, an weiteren Forschungseinrichtungen sowie in vielen Unternehmen der Stadt an den Leichtbau-Materialien und -Produkten von morgen. Hier sind vor allem die Faserverbundwerkstoffe und der Hybride Leichtbau inklusive neuer Fügetechnologien im Fokus. Ebenso hat die Additive Fertigung als weiterer wesentlicher Technologietreiber für den Leichtbau mittlerweile einen festen Platz gefunden. Dafür steht das unter Leitung des Fraunhofer IWS agierende Konsortium AGENT-3D, der größte europäische Forschungscluster im Bereich der Additiven Fertigung mit über 120 Partnern aus Wissenschaft und Industrie.
In Freiberg, dem einstigen Zentrum des mitteleuropäischen Silbererzbergbaus, sind insbesondere die Kompetenzen für den metallischen Leichtbau zu Hause. Hier hat mit der TU Bergakademie die älteste, noch bestehende montanwissenschaftliche Bildungseinrichtung der Welt ihren Sitz, die sich als Ressourcenuniversität auf die Erkundung, Gewinnung, Verarbeitung, Veredlung und Wiederverwendung von Rohstoffen und Materialien konzentriert. Stähle, Leichtmetalle und Werkstoffverbunde bilden das Fundament des Freiberger Leichtbaukonzeptes.
- Mit AGENT-3D agiert der größte europäische Forschungscluster für 3D-Druck in Dresden. Prof. Christoph Leyens vom Fraunhofer IWS stellt eine additiv gefertigte Brennkammer mit integrierten Kühlkanälen für eine Raumfahrtanwendung vor. Während das Modell aus Stahl ist, werden die Originalteile aus teurem Titan effizient gefertigt. (Foto: Ina Reichel)
- An biobasierten Faserkunststoffverbunden als Vision für eine nachhaltige Großserienfertigung forschen Wissenschaftler im Chemnitzer Bundesexzellenzcluster MERGE, auf dem Foto Leichtbau-Forscher Ahmed Amine Ouali. (Foto: TU Chemnitz/Rico Welzel)
Kräfte bündeln in der Leichtbauallianz Sachsen
In Chemnitz laufen viele Fäden für den textilen Leichtbau zusammen, begründet auf der über 200-jährigen Tradition der Region in der Textilwirtschaft. Renommierte Einrichtungen wie das Sächsische Textilforschungsinstitut STFI mit dem neuen Zentrum für Textilen Leichtbau sowie das Cetex Institut für Textil- und Verarbeitungsmaschinen forschen mit der TU Chemnitz sowie den Unternehmen in der Allianz Textiler Leichtbau an neuen Entwicklungen in Textiltechnik und -technologie sowie im Struktur- und Systemleichtbau.
Mit dem Bundesexzellenzcluster „MERGE – Technologiefusion für multifunktionale Leichtbaustrukturen“ an der TU Chemnitz verfügt Sachsen über das deutschlandweit einzige Forschungscluster auf diesem Gebiet. Hier arbeiten Wissenschaftler aus mehr als 20 Instituten der Technischen Universitäten Chemnitz und Dresden sowie der Fraunhofer-Institute ENAS und IWU an energie- und materialeffizienten sowie großserienfähigen Fertigungsprozessen für Leichtbaustrukturen mit integrierten Zusatzfunktionen in völlig neuer Qualität.

Die Leichtbauallianz Sachsen präsentierte sich im Juni 2017 auf dem 21. Internationalen Dresdner Leichtbausymposium. (Foto: Ina Reichel)
Wissenschaftler der drei Technischen Universitäten Chemnitz, Freiberg und Dresden bündeln seit Sommer 2016 ihre Kompetenzen in der Leichtbauallianz Sachsen. Das Netzwerkkonzept ist ganzheitlich auf Leichtbautechnologien (Konstruktion, Werkstoffe, Produktionstechnik) und alle Bereiche der zugehörigen Wertschöpfungskette ausgerichtet. Im Vordergrund steht die gegenseitige Unterstützung bei komplexen Innovationsvorhaben durch die Bündelung von technologischer Kompetenz, Forschungsinfrastruktur und Ressourcen. Bereits zum Ende des Jahres 2017 verzeichnen die beteiligten Institute im ersten gemeinsamen Forschungsvorhaben „hybCrash“ mit der Entwicklung einer neuen Generation von hybriden Leichtbauwerkstoffen sowie den dazugehörigen Technologien große Fortschritte. Ziel des Verbundvorhabens ist die Entwicklung von Hybridstrukturen, die die vorteilhaften Eigenschaften von Leichtmetallen und Faser-Kunststoff-Verbunden miteinander vereinen und sowohl eine hohe Festigkeit und Beanspruchbarkeit als auch ein ausreichendes Umformvermögen bei Crashbelastung aufweisen (www.hybcrash.de). Vor dem Hintergrund der neuen Trends in „Multimaterial-Bauweise“ ist das Forschungsvorhaben besonders zukunftsweisend.
Die sächsischen Leichtbau-Kompetenzen sind international gefragt. Dafür stehen u. a. die im Sommer 2017 angestoßene Gründung eines Polnisch-Deutschen Zentrums für hybriden Leichtbau zwischen Partnern in der polnischen Region Schlesien und sächsischen Akteuren sowie die Bildung des Korea-Germany Materials Center (KGMC) im Herbst 2017 durch das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS, das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik ILK der TU Dresden und das Korea Institute of Materials Science KIMS.
Revolution im Bauwesen mit Carbonbeton
Von Sachsen aus wird ebenso das Bauen revolutioniert und gleichzeitig die Umwelt geschont. Carbonbeton heißt das Baumaterial der Zukunft. Der Ersatz des korrosionsanfälligen Stahls durch ein leichtes und dennoch hoch beanspruchbares Carbonfaser-Geflecht bietet eine kostengünstige, flexible und bis zu 80 Prozent materialreduzierte Alternative, da eine zusätzliche Betondeckung zum Schutz vor Korrosion nicht mehr notwendig ist.

Das Grundgerüst für das neue Baumaterial Carbonbeton sind diese leichten, aber sehr stabilen und nicht korrodierenden Strukturen, die Prof. Manfred Curbach von der TU Dresden zeigt. (Foto: Ina Reichel)
2016 haben drei Professoren der TU Dresden – Manfred Curbach, Chokri Cherif und Peter Offermann – für ihr wegweisendes Projekt „Das faszinierende Material Carbonbeton – sparsam, schonend, schön“ den Deutschen Zukunftspreis erhalten.
Abheben auf sächsischem Boden
Das sächsische Leichtbau-Know-how findet sich in vielen Produkten wieder, die auch „Made in Saxony“ produziert werden. So betritt jeder Passagier in einem Airbus sächsischen Boden, denn für die Fußbodenplatten sind die EFW Elbe Flugzeugwerke Hauptlieferant. Aus dem Unternehmen kommen weitere Leichtbaukomponenten für die Luftfahrt, aber auch für die Bahntechnik und den Schiffbau.

Mit dem patentierten „Filament Winding Forming“ wickelt East-4D beispielsweise Triebwerkseinlaufkegel für Flugzeuge. Auch die Autoindustrie nutzt die Kompetenz des Dresdner Unternehmens für CFK-Hightech-Produkte. (Foto: East-4D)
Triebwerkseinlaufkegel von East-4D, Preforms für Fensterrahmen von Hightex Verstärkungsstrukturen oder komplexe Strukturen von Cotesa sorgen ebenfalls dafür, dass man mit Flugzeugen oder Helikoptern gut abheben kann. Auch der Fahrzeugbau auf der Erde profitiert vom Material- und Prozess-Know-how dieser sowie weiterer Unternehmen. ThyssenKrupp Carbon Components, ein Joint-Venture des Konzerns mit einem sächsischen Spin-off, entwickelt und fertigt in Kesselsdorf bei Dresden Komponenten wie CFK-Leichtbauräder, die bis zu 50 Prozent Gewichtsersparnis im Vergleich zu Aluminium-Felgen bieten. Sie bewähren sich u. a. in einem serienfähigen ultraleichten Kompakt-Projektfahrzeug mit weniger als 900 Kilogramm Gewicht und deutlich unter 100 Teilen, das die Leichtbau-Zentrum Sachsen GmbH mit weiteren Partnern entwickelt hat.
Ein sächsisches „Gesicht“ trägt das neue Flaggschiff der Deutschen Bahn. Die Bugspitze, das Fahrerraum-Dach sowie die Schürzen des Hochgeschwindigkeitszuges ICE4 werden bei RCS in Königsbrück bei Dresden gefertigt. Am ICE4-Projekt hat auch die Leichtbau-Systemtechnologien KORROPOL Dresden mitgewirkt. Neben der Bahntechnik ist das Unternehmen für Straßenfahrzeuge, für den Rennsport sowie für Oldtimer mit individuellen Bauteile aus hochbelastbaren Faserverbundwerkstoffen aktiv, ebenso im Maschinen- und Anlagenbau, beispielsweise für Großgeneratoren.
- Mit dem Start-up SCABA nutzt das Team um Mitgründer und Gesellschafter Marco Zichner die Möglichkeiten des Leichtbaus für neuartige skalierbare Lithium-Ionen-Batteriesysteme. (Foto: Ina Reichel)
- Gäste aus dem In- und Ausland informierten sich auf der LiMA 2016 in Chemnitz über neueste Leichtbaulösungen für den Fahrzeug- und Maschinenbau. (Foto: Messe Chemnitz/Kristin Schmidt)
Eines der jüngsten sächsischen Leichtbau-Startups trägt den Namen SCABA. Die Abkürzung steht für skalierbare Batteriesysteme. SCABA nutzt den Leichtbau für einen besseren Einsatz der Elektromobilität, indem es mittels standardisierten, vorgefertigten Kunststoff-Metall-Verbindern spezifische Batterieblöcke mit herkömmlichen Rundzellen ohne den Umweg über Module fertigt.
Plattformen mit internationaler Strahlkraft
In Sachsen etablieren sich neben den Forschungs- und Produktionskompetenzen Leichtbau-Ausstellungen und Fachveranstaltungen mit internationaler Strahlkraft. Neben Besuchern aus Deutschland zog die neu konzipierte Leichtbau-Messe LiMA Chemnitz 2016 u. a. Gäste aus Belgien, China, Frankreich, Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz an. Das Konzept, anwenderorientierte Leichtbaulösungen branchenübergreifend darzustellen, wurde sehr gut angenommen.

Impression von der mitteldeutschen Leichtbaumesse LiMA 2016 in Chemnitz. (Foto: Messe Chemnitz/Kristin Schmidt)
Die renommierten universitären und außeruniversitären Forschungszentren Sachsens zeigten gemeinsam mit Unternehmen aus Mitteldeutschland wegweisende Leichtbaulösungen u. a. für die Schienenfahrzeugtechnik, die Automobilindustrie sowie den allgemeinen Maschinenbau. Mit der breiten Ausrichtung sowohl auf Werkstoffe als auch auf Technologien besitzt die LiMA ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Messelandschaft. Die nächste Leichtbau-Messe findet gemeinsam mit der Internationalen Messe für Technische Textilien mtex+ vom 29. bis 30. Mai 2018 in Chemnitz statt.
Intec und Z mit Sonderschau „Additiv + Hybrid“
Die branchenübergreifende Schlüsseltechnologie Leichtbau spielt auch bei den Industriemessen Intec und Z in Leipzig eine wichtige Rolle. Neue Produktionstechnologien wie die Verfahren der generativen Fertigung und die Bearbeitung neuer Werkstoffe und Materialkombinationen prägen den Maschinen- und Anlagenbau sowie die Fahrzeugindustrie, die Hauptanwenderbranchen des Messeverbundes. Zur nächsten Ausgabe, die vom 5. bis 8. Februar 2019 auf dem Leipziger Messegelände stattfindet, wird die enge Verzahnung additiver Verfahren mit technologischen Entwicklungen im Themenkreis Leichtbau vor dem Hintergrund einer ressourceneffizienten Produktion noch deutlicher aufgezeigt. In einer übergreifenden Sonderschau unter dem Titel „Additiv + Hybrid – Neue Fertigungstechnologien im Einsatz“ stehen Themenkomplexe wie Funktionsintegration, Technologieauswahl unter Wirtschaftlichkeitsaspekten – neue Maschinenkonzepte, Multimaterial-Bearbeitung sowie Qualitätssicherung im Multi-Material-Design auf der Agenda.
- Leichtbau-Themen sind fester Bestandteil der Industriemessen Intec und Z in Leipzig. 2017 wurden sie u. a. mit der Sonderschau „Intelligenter Leichtbau: Technologien – Anwendungen – Potentiale“ sowie einem Technologieforum „Additive Fertigung“ beleuchtet. (Foto: Leipziger Messe/Fotograf Tom Schulze)
- 2017 zeigten 1382 Aussteller aus 30 Ländern ihr Leistungsspektrum aus der Metallbearbeitung und der Zulieferindustrie auf der Intec und Z. 2019 lädt der Messeverbund vom 5. bis 8. Februar nach Leipzig ein. (Foto: Leipziger Messe/Fotograf Tom Schulze)
Das anwenderorientierte viertägige Symposium wird in eine Ausstellungsfläche integriert, auf der themenbezogene Exponate und Demonstrationsobjekte den Stand der Technik vorstellen und für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgen. Es bildet eine ideale Erweiterung des Hauptausstellungsprogramms beider Messen. Während sich die Intec als eine führende Messe für die metallbearbeitende Industrie in Deutschland und Europa etabliert hat, auf der sich sowohl global agierende Unternehmen als auch kleine und mittelständische Firmen präsentieren, gehört die Z in den Kreis führender europäischer Zuliefermessen, deren Aussteller mehrheitlich Zulieferer der unteren und mittleren Produktionsstufen sowie Anbieter von industriellen Dienstleistungen und Fertigungskapazitäten sind.
Zum Treffpunkt von Materialexperten und Industrieanwendern aus dem In- und Ausland hat sich die Werkstoffwoche entwickelt, die seit 2015 im zweijährigen Rhythmus in Dresden stattfindet. Jeweils rund 1800 Fachleute diskutierten 2015 und 2017 zu neuesten Trends in der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik.

Die Schau des Materialforschungsverbundes Dresden war Mittelpunkt der Begleitausstellung auf der Werkstoffwoche 2017. (Foto: Ina Reichel)
Begleitet wird der Kongress von einer Fachmesse, auf der Aussteller neueste Werkstoffentwicklungen und deren Anwendung in Produkten vorstellen. Die 3. Werkstoffwoche findet vom 18. bis 20. September 2019 in Dresden statt.