
Sächsisches Know-how im weltweit ersten CFK-Leichtbauzug
18.09.2018
Der weltweit erste fast vollständig aus CFK-Komponenten bestehende Zug wird auf der Verkehrstechnikleitmesse InnoTrans vom 18. bis 21. September 2018 in Berlin erstmals der internationalen Fachöffentlichkeit vorgestellt. Entwickelt hat dieses innovative Leichtbaufahrzeug das chinesisch-deutsche Ingenieurteam der CG Rail – Chinesisch-Deutsches Forschungs- und Entwicklungszentrum für Bahn- und Verkehrstechnik Dresden GmbH – gemeinsam mit nationalen und internationalen Netzwerkpartnern im Auftrag des weltgrößten Schienenfahrzeugherstellers CRRC aus der Volksrepublik China.
Die Entwicklungsleistungen aus Sachsen sind eingebunden in das Gesamtvorhaben „Next Generation Metro Train“, mit dem CRRC den öffentlichen Nahverkehr, insbesondere bei U-Bahnen, leistungsfähiger und umweltfreundlicher gestalten will. CG Rail hat mit den Teilprojekten Frontkabine, Wagenkasten, Unterflurverkleidung und Drehgestellrahmen die wesentlichen Module für die neue Metro-Generation entwickelt und dabei richtungweisende Leichtbau-Innovationen für Schienenfahrzeuge geschaffen.
Beispiel Wagenkasten: Er besteht zu 70 Prozent aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) und erreicht gegenüber einer herkömmlichen Aluminium-Bauweise eine Massereduzierung um 30 Prozent. Neben den Leichtbau-Strukturen durch werkstoffgerechte Simulation liegt das Know-how hier vor allem in den neuartigen Leichtbau-Technologien. Mit einer Weiterentwicklung des Pultrusions-Verfahrens ist es CG Rail gelungen, große CFK-Mehrkammer-Profile mit Wandstärken bis zu 25 Millimeter sowie verschiedenen Faserarten und Faserorientierungen in einem Stück effizient zu fertigen. Auf einer speziellen Anlage im „Rail Innovation Center“ (RIC) des Dresdner Unternehmens sind so die für das Projekt erforderlichen circa 22 Meter langen CFK-Profile entstanden. „Wir können im Prinzip endlos lange Bauteile herstellen, die momentane Begrenzung auf 77 Meter ist nur durch die räumlichen Gegebenheiten bedingt.“, informiert Dr.-Ing. Andreas Ulbricht, der gemeinsam mit Herrn Sansan Ding Geschäftsführer der CG Rail GmbH ist. Dr. Ulbricht verweist darauf, dass auch die speziellen Vorrichtungen zum präzisen Fügen und zur toleranzgerechten Montage der großflächigen CFK-Wagenkasten-Strukturen vom CG-Rail-Team selbst entwickelt und von sächsischen Unternehmen gebaut worden sind.
Innovative Prozesstechnologien kommen ebenso beim Drehgestellrahmen zum Einsatz, bei dem mit den Längs- und Querträgern die vier Hauptkomponenten aus CFK bestehen. Zunächst werden die textilen Verstärkungsstrukturen der Träger im Flecht- bzw. Wickelverfahren oder einer Kombination daraus hergestellt, anschließend im Injektionsverfahren (RTM) mit Harz infiltriert und ausgehärtet. Die Prozesse sind hochautomatisiert und erlauben eine reproduzierbare und sehr effiziente Fertigung. Sie beruhen ebenfalls auf Dresdner Leichtbau-Know-how mit Ursprung am Institut für Leichtbau- und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden. Der gegenüber einem Stahl-Äquivalent um mehr als 40 Prozent leichtere CFK-Drehgestellrahmen hält höchsten Belastungen stand und erfüllt alle fahrdynamischen Anforderungen. „Bei einem unserer einschlägig ausgewiesenen Dresdner Partner wurde der CFK-Drehgestellrahmen einem echten Härtetest unterzogen und hat in einer zyklischen Prüfung zwölf Millionen Lastwechsel bei einem Lastniveau bis zu 60 Prozent über der normalen Betriebslast erfolgreich bestanden. Dies entspricht einer Lebensdauer von mehr als 33 Jahren.“, verweist Dr. Ulbricht auf den weltweit ersten Festigkeitstest dieser Art. „Der CFK-Drehgestellrahmen ist also eine echte Sprunginnovation.“
Einen neuen Benchmark setzen auch die Frontkabine und die Unterflurverkleidung, die dank eines bis zu 90-prozentigen CFK-Anteils ebenfalls um rund 30 Prozent weniger wiegen als vergleichbare Metallausführungen und bei denen das CG-Rail-Team u. a. Themen wie die Reduzierung der Teilevielfalt durch höhere Funktionsintegration realisiert hat. Für den Innovationsgrad aller Entwicklungen sprechen bisher 16 angemeldete Patente.
Dass von den ersten Designentwürfen bis zur Fertigstellung von vier Frontkabinen, drei Wagenkästen, fünf Drehgestellen und sieben Unterflurverkleidungen weniger als zwei Jahre vergingen, hat neben den Kompetenzen der 35 deutschen und chinesischen CG-Rail-Mitarbeiter viel mit dem in Dresden als Wiege des modernen Leichtbaus konzentrierten Leichtbau-Know-how in Wissenschaft, Forschung und Industrie zu tun. „Wir können auf ein exzellentes Partner-Netzwerk in der Region zurückgreifen, angefangen von der Exzellenzuniversität TU Dresden mit ihren Instituten und hervorragenden Absolventen über die in Dresden besonders zahlreichen außeruniversitären Einrichtungen (mehr als zehn Fraunhofer-Einrichtungen, je drei Leibniz- und Max-Planck-Institute sowie ein Helmholtz-Zentrum) bis hin zu den Partnern der Leichtbau-„Familie“ (ILK, LZS GmbH und LSK GmbH). Diese geballte Expertise im Vergleich zu anderen Standorten war ein wesentlicher Grund für die Ansiedelung der CG Rail GmbH in Dresden“, berichtet Dr. Ulbricht.

Enthüllt haben das Fahrzeug die chinesischen und deutschen Partner von CRRC und CG Rail. (Foto: Ina Reichel)
Eine besondere Rolle kommt dabei der hohen internationalen Reputation von Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Dr. h.c. Werner A. Hufenbach zu. Er hat Anfang der 1990er Jahre das Dresdner Modell eines „Funktionsintegrativen Systemleichtbaus in Multi-Material-Design“ begründet, das inzwischen nationaler und internationaler Benchmark ist. Mit seinem Team hat er durch Gründung und Aufbau des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden maßgeblich die Renaissance des sächsischen Leichtbaus vorangetrieben. Zudem pflegt er bereits seit 1981 durch Symposien, Lehraufträge und Forschungsprojekte mit China einen intensiven Wissenschafts- und Forschungsaustausch. Diese langjährige Zusammenarbeit führte nicht zuletzt auch zur Gründung der CG Rail GmbH. Für dieses Engagement auf dem Gebiet des modernen Systemleichtbaus erhielt er im Januar 2017 die höchste chinesische Auszeichnung für Wissenschaft und Technologie, den „International Scientific and Technological Cooperation Award”, aus der Hand des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping.
Für den Weltmarktführer im Schienenfahrzeugbau CRRC stellt die Entwicklung dieser neuen Metro-Generation ein Benchmark-Projekt dar, um in Anlehnung an den modernen Flugzeugbau den CFK-Leichtbau in der Bahntechnik zu forcieren und damit die Qualität des öffentlichen Personennahverkehrs in Ballungsräumen weiter zu verbessern. „Eine höchstmögliche Massereduzierung durch den ressourceneffizienten Einsatz von Leichtbau-Strukturen ist bei limitierter Achslast eine wesentliche Grundlage zur Erhöhung der Nutzlast. So können mehr Fahrgäste auf gleichem Raum transportiert, die Taktzeiten verkürzt und der Interieur-Komfort erhöht werden – und dies bei weniger Energieeinsatz. Darüber hinaus strahlen die hier erstmals erzielten Erkenntnisse synergetisch auch in andere Branchen aus.“, betont Sansan Ding, chinesischer Geschäftsführer der CG Rail GmbH.