
WHZ entwickelt 3D-gedrucktes Notfall-Beatmungsgerät mit
07.04.2020
Der 3D-Druck als eine wesentliche Leichtbautechnologie beweist seine Vorteile wie schnelles Konstruieren und Produzieren ab Losgröße 1 gerade in diesen Wochen der Corona-Pandemie. Das zeigt ein Beispiel aus der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ). Wissenschaftler aus dem Bereich Biomedizinische Technik setzen ihr Know-how und die hervorragenden Kooperationen für die Entwicklung eines 3D-gedrucktes Notfall-Beatmungsgerätes ein, das innerhalb einer Woche konstruiert wurde und an der Universitätsklinik Leipzig zum Testeinsatz kam.
Die Nachrichten über die steigende Anzahl an Covid-19 schwer erkrankter und verstorbener Menschen, die z. B. in Italien oder Spanien wegen fehlender Technik nicht mehr beatmet werden können, bewegte sächsische Forscher dazu, in kürzester Zeit ein 3D-gedruckten Notfall-Beatmungsgerät zu entwickeln. Wenn nicht genügend Hightech-Beatmungssysteme zur Verfügung stehen, soll dieses als letzte Möglichkeit den Medizinern zur Verfügung stehen. Es handelt sich nicht um ein zertifiziertes Medizinprodukt, sondern soll als letzte Option dienen.
An dieser Entwicklung mitgewirkt hat auch ein Forscherteam aus den Bereichen Biomedizinische Technik und Mathematik der WHZ. Innerhalb von sieben Tagen ist es den Wissenschaftlern der Uniklinik Leipzig, der WHZ und des Fraunhofer IWU gelungen einen Prototyp zu entwickeln, der am 2. April 2020 an der Uniklinik in Leipzig erfolgreich getestet wurde. Wichtiges Entwicklungskriterium war, Sensorik und Regelungsmöglichkeiten zu integrieren, um die Hauptparameter der Beatmung einstellen bzw. überwachen zu können. Von Anfang an in die Entwicklung des Notfall-Beatmungsgerätes eingebunden waren Mediziner, die sicherstellten, dass die Geräte den praktischen Anforderungen gerecht werden.
WHZ-Lungenphantom im Dienst der Lebensrettung
Vor allem auch die hervorragende Vernetzung der Forscher durch Projekte wie „Hirnspatel“ oder „Erweiterte Realität im OP“ machte die schnelle Entwicklung möglich. Die WHZ konnte das Projekt durch die Bereitstellung des Lungenphantoms zum Test des Beatmungssystems unter realistischen Bedingungen unterstützen. An der Zwickauer Hochschule waren Prof. Dr. Jens Füssel und Laboringenieurin Fabiola Basan federführend für die Tests und Modifikation in den Laboren der WHZ. Die Programmierung wurde durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter Marcus Löffler aus dem Fachbereich Mathematik unterstützt.

Engagement ist auch Familiensache
Auch eine familiäre Verbindung war für das Projekt von Vorteil. Verschiedene mechanische Antriebskonzepte mussten konstruiert und getestet, Rotations- und Linearmotoren evaluiert, Getriebe integriert werden. Dafür war hauptsächlich Lukas Basan zuständig. „Ich studiere an der WHZ Kraftfahrzeugtechnik im vierten Semester. Meine Mutter Fabiola Basan arbeitet an der Hochschule als Laboringenieurin im Bereich Biomedizinische Technik und hat mich gefragt, ob ich dieses wichtige Projekt mit unterstützen möchte. Der 3D-Druck gehört zu meinen Interessenschwerpunkten“, so Lukas Basan zu den Anfängen der familiär-interdisziplinären Zusammenarbeit. Auch am Versuchsaufbau, der nach Konstruktion und Fertigung innerhalb weniger Stunden bis nachts um 3.00 Uhr umgesetzt wurde, war der Student begeistert dabei.
Drei Beatmungsgeräte pro Tag und Drucker – weltweite Nachahmung erwünscht
Mit einem 3D-Drucker können drei Systeme pro Tag gedruckt werden. Gestartet werden kann sofort. Eingesetzt werden können diese Notfall-Beatmungsgeräte international in allen Einrichtungen, in denen nicht genügend Hightech-Beatmungssysteme zur Verfügung stehen. Durch den Zugriff auf ein internationales Netzwerk an 3D-Druckern könnten die Systeme auch in großen Stückzahlen in verschiedenen Ländern hergestellt werden. Alle anderen benötigten Komponenten wie Motoren, Elektronik oder Sensoren sind aktuell noch schnell in großer Stückzahl lieferbar.
Hintergrund:
Medizinisch unterstützt wird das System vom stellvertretenden Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie der Uniklinik Leipzig, Prof. Dirk Winkler, der viele Jahre als Notarzt tätig war. Er ist medizinischer Leiter der Forschungsgruppe Next3D und in mehrere Projekte der WHZ eingebunden (aktuell „Hirnspatel“, „Erweiterte Realität im OP“).
Die Arbeitsgruppe Next3D der Uniklinik Leipzig ist nach der Medizintechniknorm ISO13485 zertifiziert und darf im Regelfall patientenspezifische 3D-gedruckte Instrumente und Modelle herstellen und in Verkehr bringen, die als Sonderanfertigung gemäß Medizinproduktegesetz gelten.
Für die Koordination des Gesamtprojektes ist Dr. Ronny Grunert von der Universität Leipzig und dem Fraunhofer IWU verantwortlich, er ist Absolvent der Medizintechnik der WHZ.